Laufbericht: |
Ich beginne mit dem obligatorischen VWKGJ (Vorwettkampfgejammere):
Bis vor 2 Wochen lief das Training sehr gut. Dann bin ich unglücklich
mit dem Fahrrad umgefallen (nein, keine Details, bitte auch keine
Angebote für Stützräder), habe mir die linke Brust geprellt und musste
das Training schmerzbedingt drastisch reduzieren. Seit 3 Tagen ist auch
noch das linke Auge geschwollen, hat vermutlich Zug beim Autofahren
gekriegt. Außerdem wiege ich 4 Kilo zuviel und bin seit dem
Bonn-Marathon 2004 keinen ernsthaften Wettkampf gelaufen. HM-Distanz
sowieso erst zweimal, wobei die Bestzeit von 1:43:11 aus dem 1. Versuch
vom Mai 2003 stammte, der zweite Versuch war eher ein Debakel. Wo ich
jetzt leistungsmäßig stehe, war mir nicht ganz klar. Ich wusste aus den
Trainingszeiten, dass eine 1:50er Zeit locker ist, eine neue PB
wahrscheinlich und eine Zeit unter 1:40 nicht völlig utopisch.
Endgültig festlegen wollte ich mich aber erst unterwegs, vorausgesetzt,
meine geprellte Brust macht bei dauerhaft hohen Geschwindigkeiten keinen
Ärger. Im Abschlusstraining habe ich nach dem ersten Kilometer nichts
mehr von ihr gespürt. Mehr Ausreden fallen mir jetzt aber wirklich
nicht mehr ein, ich hoffe ihr seid nicht zu enttäuscht.
VWKGJ-Ende
Samstag war ich auf der Laufmesse in der Schleyer-Halle, habe die
Startunterlagen abgeholt und mich etwas umgeschaut. Große Teile der
Strecke sind ein Heimspiel für mich, da diese auf meiner langen Runde
am Neckar liegen. Allerdings laufe ich sonst auf den kleinen Wegen und
nicht auf der Hauptstrasse. Versteh gar nicht, warum die nicht immer
für mich gesperrt wird ...
Start und Ziel sind am (bzw. im) Gottlieb-Daimler-Stadion, wobei dort
zur Zeit eine große Baustelle ist (Fußball-WM 2006 lässt grüßen). Daher
war auch die Teilnehmerzahl beim HM auf 10.500 beschränkt, die
Veranstaltung war komplett ausgebucht.
Abends vor Mitternacht schlafen gegangen, der Wecker piepste heute
morgen um 06:15, die kurzen Laufsachen angezogen, ein altes Hemd
übergeworfen und nach einem leichten Frühstück und diversen Trödeleien
ging es um 07:30 zur S-Bahn und zum Stadion. Nicht die Startnummer war
der Fahrschein, sondern ein Begleitheft zur Veranstaltung, ich hab das
aber nur für die Hinfahrt mitgeschleppt und dann weggeschmissen.
Theoretisch nur in Verbindung mit dem Personalausweis gültig, muss man
den immer bei Laufwettbewerben dabeihaben? Merkwürdige Idee, aber es
wurde bestimmt eh den ganzen Tag nicht kontrolliert.
Den ökumenischen Gottesdienst um 08:15 habe ich knapp verpasst,
ebenfalls den Start der HM-Inliner um 08:45, da ich in dringenden
Geschäften anstand. Statt der sonst üblichen Dixi-Klos konnten die
Toiletten in Schleyer-Halle und Stadion benutzt werden, und überall kam
man auf der Damentoilette sofort dran (als Dame natürlich nur), während
sich an den Herrentoiletten lange Schlangen bildeten. Verkehrte Welt!
Gestartet wurde in 3 Blöcken, wobei nur der erste ernsthaft
kontrolliert wurde, die beiden anderen mischten sich munter. Da ich mir
vorgenommen hatte, schnell zu laufen, stellte ich mich relativ weit
vorne im zweiten Block auf, entledigte mich meines alten Hemdes und
wartete auf den Startschuss. Ich überdachte nochmal kurz meine Ziele
und die Taktik, versuchte vergeblich Zwischenzeiten zu rechnen, die ich
mir natürlich nicht vorher notiert hatte und wurde endlich durch den
Startschuss von diesem unsinnigen Grübeln erlöst. Auf gehts!
Irgendwie war es ganz schön voll und kam mir langsam vor. Da ich mit
Zick-Zack-Laufen und Überholaktionen noch nie gute Erfahrungen gemacht
hatte, trabte ich im Tross und sagte mir, das wird sich schon bald
etwas entzerren. Völlig überrascht stoppte ich den 1. Km dann in 4:37.
Das fühlte sich jetzt sehr komfortabel an und war dabei noch 7 Sekunden
schneller, als die KM-Zeit, die ich für 1:39:59 brauche. Geht da
vielleicht was heute? Die nächsten Kilometer waren optisch eher
langweilig, da es in einem Bogen um die Mercedes-Werke ging. Stimmung
war aber sehr gut, viele Zuschauer und dann und wann eine kleine Band
und die Zeiten mit 4:38, 4:30, 4:49 und 4:48 im Rahmen. Kurz vor km 5
konnte ich dann endlich mein kleines Schwämmchen anfeuchten, das ich in
der rechten Hand trug und einen großen Becher Wasser über Mund, Kopf und
T-Shirt schütten. Große Plastikbecher funktionieren beim Trinken auch
nicht besser als kleine, aber ich konnte am Ende gut den Schwamm
eintauchen und musste dafür kein zweites Mal abbremsen. Wasserstationen
waren ab hier alle 2.5 km vorgesehen und zusätzlich bei Km 10 ein
Energiedrink, das sollte reichen. Der Trink-Km war mit 4:54 prompt
etwas langsamer. Ich ließ mir auf meinem Forerunner sowohl die
Gesamt-Durchschnittsgeschwindigkeit als auch die jeweilige Km-Zeit
anzeigen, theoretisch hatte ich mit meinem momentanen 4:42er Schnitt
noch etwas Vorsprung. Praktisch kamen aber seit km 3 die Schilder immer
erst etwas nach dem Punkt, an dem mein GPS meinte, einen Km vollzuhaben.
Enweder hat sich einer von beiden geirrt oder ich bin am Anfang zu weit
von der Ideallinie abgewichen. Ausrechnen konnte ich das alles aber
nicht und nahm mir vor, den Sachverhalt im Auge zu behalten und später
zu entscheiden, wo die Zeit wieder reingeholt wird. Da das Läuferfeld
nun schon deutlich auseinandergezogen war, konnte ich auch mehr auf der
angenommenen Ideallinie laufen. Aufgezeichnet war sie nur noch an ganz
wenigen Stellen, die Markierung soll von der Leichtathletik-WM 1987
übriggeblieben sein. Die nächsten Km gingen schön am Neckar entlang und
um den Max-Eydt-See herum und waren mit 4:29, 4:39, 4:42 und 4:43 alle
okay, der Puls war langsam von 84% auf 89% gestiegen, die Beine fühlten
sich gut an und den offiziellen Km 10 erreichte ich nach 47:39. Waren
das jetzt 9 Sekunden zuviel oder 19 Sekunden? Ich dachte immer, ich
wäre gut in Mathe, aber beim Laufen funktioniert der Teil des Gehirns
anscheinend deutlich schlechter. Wenn ich die Geschwindigkeit
beibehalten kann und am Ende noch etwas zulegen, sollte das aber
reichen. Km 11 lief ich dann sicherheitshalber mal in 4:41. Wobei
inzwischen immer häufiger die Sonne herauskam, was im Grunde ja schön
ist, aber auch gleich deutlich wärmer wurde als die bislang sehr
angenehmen 13-17 Grad.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, oder daran, dass ich mich bei km 12
fürchterlich beim Trinken verschluckte, jedenfalls wurde ich langsamer
-unmerklich, aber stetig. 4:46, 4:47, 4:49, 4:52 und noch gut 6 km zu
laufen. Was tun? Für das Traumziel von 1:39:59 wurde es langsam recht
eng, für eine neue PB war hingegen noch reichlich Luft. Ich hätte
bestimmt noch etwas mehr Gas geben können, aber ich hatte Angst. Über
ein Jahr keinen Wettkampf gelaufen, und die am Anfang so angenehme
Geschwindigkeit von 4:40 kannte ich ja nur aus Intervallen, nicht über
21 km. Was wäre, wenn ich jetzt beschleunige, dadurch völlig einbreche
und mir sogar die PB versaue? Zumal ich wusste, es gibt noch 3
Steigungen: normalerweise völlig unbedeutend, aber am Ende eines
Wettkampfes werden Brücken und Tunnel zu Mount Everests ...
Nee, die 1:40 soll beim nächsten Mal fallen. Ich laufe locker zu Ende,
versuche nicht zuviel Zeit zu verlieren und hoffe, dass ich am Ende den
Sprint nicht zu früh ansetzen muss. Die nächsten 3 Km waren mit 5:02,
5:00 und 4:58 noch im Rahmen, der nächste mit 5:24 erschreckte mich
aber doch (wobei dieser besagte 2 Steigungen hatte). Wobei der Puls
wieder auf 85% gesunken war inzwischen, das kenne ich sonst gar nicht.
Eher ein Anstieg gegen Ende bei gleichbleibender Geschwindigkeit. Das
habe ich aber eh erst beim Auswerten zu Hause festgestellt, unterwegs
interessierte der Puls mich nun wirklich nicht. Also etwas angezogen
und km 20 und 21 mit 5:06 und 4:51 bewältigt. Nun gab es nur noch das
kleine Problem mit den unterschiedlichen Streckenlängen. War zwar
nichts mehr dazugekommen, aber die letzten 195 Meter nach meiner Uhr
waren in Wirklichkeit noch ca. 350. Da vorne war das 21er Schild, dann
das Stadion, rechts um die Ecke, durch das Marathontor und dann noch
etwas im Stadion. Seufz, das hilft alles nichts, da muss noch
gesprintet werden. Wo mir danach im Ziel doch immer so übel wird. Mann,
hab ich Leute eingesammelt auf diesem Stück. Die letzten 350 Meter waren
im 3:30er Schnitt, das Passieren des Marathontors konnte ich nicht
wirklich genießen, auf dem Zielfoto sehe ich bestimmt grauenerregend
aus und natürlich war mir nach dem Zieleinlauf speiübel. Ist aber alles
dringeblieben und die Zeit hat gereicht.
Auslaufen ging erstmal nicht, also gemütlich etwas durchs Stadion
geschlendert. Die Tribünen waren gut gefüllt, das Volk jubelte und
viele Läufer saßen schon entspannt auf dem guten neuen Rasen. Heftig
getrunken, Apfel und Banane gegessen. Auf die Zeltdusche verzichtet,
weil mein Rucksack außerhalb des Stadions wartete, dafür
wurde mir kleinem Stinker später auch die professionelle Massage
verweigert. War aber nicht so schlimm, da die Beine nicht wirklich
erschöpft waren. Noch kurz bei der Siegerehrung zugeschaut und dann
schnell vom Acker gemacht, da der Start der Minis über 2 km kurz
bevorstand. Später noch 3 km locker ausgelaufen, den heimischen
Kühlschrank geplündert und diesen Bericht geschrieben.
Fazit: Mit einer Netto-Zeit von 1:42:31 das Wunschziel Verbesserung der
PB (um 40 Sekunden) erreicht. Damit bin ich auf jeden Fall zufrieden,
aber ein wenig trauere ich einer verpassten besseren Zeit doch nach. Im
Nachhinein bin ich mir sicher, dass ich noch was zuzusetzen hatte, ich
fühle mich ja jetzt noch viel zu gut. Könnt grad wieder laufen gehen.
Ist aber nicht schlimm, es gibt ja noch ein nächstes Mal und dann wird
angegriffen. Und beim Ludwigsburger Citylauf am 25.06. blase ich zum
Angriff auf die 10er-Zeit.
Hier noch die Splits (für insgesamt 21,35km aufgrund Ignorierens der Ideallinie; in Klammern der Puls):
Km 1: 4:37 (150) Km 2: 4:38 (162) Km 3: 4:30 (163) Km 4: 4:49 (165) Km 5: 4:48 (169) Km 6: 4:54 (169) Km 7: 4:29 (170) Km 8: 4:39 (173) Km 9: 4:42 (176) Km 10: 4:43 (173) offiziell 47:39 für km 1-10 Km 11: 4:41 (174) Km 12: 4:46 (175) Km 13: 4:47 (176) Km 14: 4:49 (174) Km 15: 4:52 (171) Km 16: 5:02 (166) Km 17: 5:00 (165) Km 18: 4:58 (165) Km 19: 5:24 (164) Km 20: 5:06 (164) Km 21: 4:51 (166) Rest: 1:16 (170)
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